CD EinfÜhrung

NOMEDA KAZLAUS.

KUNST DES DRAMATISCHEN SOPRANS

Laimutė Ligeikaitė

Die kriegerische Brünnhilde, listige Lady Macbeth, edelmütige Isolde, unglückliche Elisabeth, verletzbare Desdemona, zarte Lisa, charmante Anne Boleyn... und eine Menge von widerspruchsvollen Charakteren und dramatischen Lebensgeschichten. Es ist kaum zu fassen, aber all diese Züge gelten für das schöpferische Porträt der Sängerin Nomeda Kazlaus, wenn man sie auf der Bühne sieht, und besonders, wenn man ihren kräftigen Sopran hört, so erlebt man eine emotionale Begeisterung, Empfnden eines künstlerischen Geheimnisses und Bewunderung zugleich.

Kann es das Land Litauen sein, auf dessen Boden solche Stimmen gedeihen? Ja, es ist es. Dieses Land pfegt jahrhundertelange Traditionen der italienischen Gesang­ schule die bis in die Zeit von Camille Everardi und Manuel Garcia reichen. Auf diesem Bod en glitzerte Anfang des 20. Jahrhunderts der Stern des Tenristen Kipras Petrauskas. Die gegenwärtigen Gesangspädagogen haben das anspruchvollste Publikum von Europa bezaubert. In der Heimat von Nomeda Kazlaus haben die namhaften Sänger Violeta Urmana und Sergej Larin ihre glänzende Karriere begonnen. Das ist nur ein Bructeil vom Kotext, der für die Auswahl des Künstlers ausschlaggebend ist. Laut Nomeda: “Man kann dein Wesen, deinen Geist, deine Umgebung, deine Erfahrung auf der Bühne nicht verheimlichen. Also, man muß stets deine Stimme, deinen Köper, deinen Geist vervollkommnen, um voranzuschreiten“.

Nomeda Kazlaus hat an der Nationalen Kunstschule von Mikalojus Konstantinas Čiurlionis Klavier und Musikwissenschaft studiert. Sie erreichte im Jahre 2001 die Aspirantur für Sologesang an der Litauischen Musik- und Theaterakademie in der Klasse von Prof. Vladimiras Prudnikovas. Es wurde die starke Basis für den Weg zum Studium bei namhaften Musikpädagogen in vielen Ländern Europas. Francisco Araiza (Wien), Vladimir Atlantov (Mikkeli), Montserrat Caballe (Andorra), Anatoli Goussev (Mai land), Ernst Haefiger (Zürich), Julia Hamari (Wien), Josef Loibl (München), Louis Manikas (Stuttgart) – es sind nur wenige anspruchsvolle Meister genannt, bei denen die junge Sopranistin ihre Meisterschaft erworben und ihre Stimme weiterhin vervollkommnet hat, um die großen Bühnen Europas zu erobern.

Die ständige Gesangspädagogin der Solistin in dem Litauischen Nationalen Opern­ und Ballettheater war Regina Pranckevičiūtė. Ausschlaggebend war ihr Treffen mit der Opernlegende Montserrat Caballe, das die Zusammenarbeit beider Solistinnen voraussetzte und die internationale Anerkennung von Nomeda Kazlaus beschleunigte.

Sie hat während der Einweihung des “Gostinnyj Dvor” in Kreml von Moskau im Jahre 2000 gesungen, als Montserrat Caballe das Programm “Die Sterne der Welt für die Kinder“ vorgestellt hat. In der späteren Fernsehunterhaltung von ARTE “Montserrat Caballe präsentiert Stars von Morgen“ haben die vielen Zuschauer die Geitesverwandtschaft von beiden Sängerinnen wahrnehmen können. Dieses Treffen hat ihre spätere langjährige, aufgeschlossene Freundschaft vorausgesetzt. Die Sängerinnen haben zusa­ mmen im Gran Teatre del Liceu in Barcelona, in internationalen Festivals “XV Castell de Peralada” (Spanien) und “Frühling von Moskau“ (Russland) gesungen. Im Film “Caballe, Beyond Music“ wurde ein Fragment des Duettes von Solistinnen (Catherine d’Aragon und Anne Boleyn) aus der Oper von Camille Saint-Saens “Henry VIII” gezeigt. “Die Zusammenarbeit mit Caballe hat mich verstehen lassen, dass der Weg, den ich eingeschlagen habe, richtig ist, und dass man sein wahres Ich behalten soll” – sagt Nomeda Kazlaus.

Die Sängerin freut sich über die temperamentvollen spanischen Zarzuelas, die sie nun singt, und die von dem legendären Sopran neben den Arien und Duetts gern gesungen wurden. So bereichert Nomeda Kazlaus ihr schöpferisches Porträt durch eine weitere Farbe – neben den stets neuen Rollen in den “schweren” Opern (Richard Wagner, Giuseppe Verdi, Giacomo Puccini) sich im neuen Fach zu erproben, die Improvisationskunst und das feuervolle Temperament der Südländer zu genießen.

Die Preisträgerin von vier internationalen Wettbewerben, mehrsprachige Sängerin Nomeda Kazlaus hat ihren Anfang auf der Opernbühne als fatale Carmen in Georges Bizet “Carmen“ gemacht und ist zu einer der bedeutendsten Sängerinnen unter den dramatischen Sopranen geworden. Das Publikum wird nicht nur von der bezaubernden Musik der berühmten Komponisten begeistert. Die Art, wie Nomeda Kazlaus sich in die technisch und psychologisch ko mplizierten Rollen einfühlt, wird auch von der Kritik anerkannt:

“Die von der Litauerin Nomeda Kazlaus (...) ausgesuchte Argumentation für Desdemona wirkte überzeugend. Desdemona von Nomeda ist eine starke, kämpfende und gleichzeitig auch zarte Persönlichkeit, die sich aus tiefster Liebe ihrem Schicksal hingibt“ (Jacek Marczynski, “Rzeczpospolita”, Polen, 2008, nach der Premiere von G.Verdi “Otello” bei den internationalen Opernfestspielen “Pergola” in Wroclaw).

“Mit ihrer prunkvollen Stimme und bezaubernden Anmut hat Nomeda Kazlaus die clevere Verführerin Anne Boleyn so hervorragend dargestellt, daß diese Oper fast zur Oper von Anne Boleyn wird. Ihre starke und jugendliche Stimme hat vollkommen diesen Charakter wiedergegeben“ (Roberto Herrscher, “Opera News”, Vereinigte Staaten von Amerika, 2002, nach der Premiere von C.Saint-Saens “Henry VIII” im Gran Teatre del Liceu in Barcelona).

Jedenfalls liegt für Nomeda Kazlaus die transzendente Musik von Richard Wagner vor allem am Herzen. In der Oper “Die Walküre” debütierte die Solistin auf der Bühne des Moskauer Großen Theaters. “Die Heroinen in Wagner’s Opern besitzen besondere Gaben, Eigenschaften von Gott und Menschen. Die Darstellung von diesen überirdischen Personen ist für mich besonders interessant“ – meint die Solistin, eine der jüngsten Brünnhilden der Welt (“Die Walküre”), die diese Rolle bei den Festspielen in Ravenna (Italien) und Liublijana (Slovenien) gesungen hatte. Übrigens ist sie die erste Brünnhilde in Litauen. Für diese Rolle wurde sie für die Auszeichnung ”Goldenes Kreuz der Bühne“ in Litauen nominiert. Der jungen, aber schon anerkannten Wagnersängerin Nomeda Kazlaus wurde auch das Prestige-Stipendium des “Richard-Wagner-Verbandes Bayreuth” (Deutschland) zugeteilt.

“Von allen Darstellerinnen von Hauptrollen fiel die Sopranistin Nomeda Kazlaus besonders auf. Nomeda verleiht Brünnhilde menschliche und frauenhafte Züge, aber zugleich singt sie sehr sicher die Arie der kriegerischen Brünnhilde mit den feinsten, besonders komplizierten hohen Tönen” (Giulia Vannoni, “La Voce”, Italien, 2007, nach der “Die Walkure” Aufführung in Teatro Alighieri bei den Festspielen in Ravenna, Italien).

“Sobald Brünnhilde – Nomeda Kazlaus erscheint, geniesst man endlich eine Stimme, die dem Geist des “Der Ring der Nibelungen” entspricht”; “Nomeda Kazlaus, die Darstellerin von Brünnhilde, singt hervorragend und stilvoll, sie artikuliert einwandfrei“ – schrieb die litauische Presse. Das war auch die Meinung sowohl der begeisterten Zuschauer, als auch der positiv gestimmten Kritiker in anderen Ländern:

“Nicht nur die beeindruckende und starke Stimme der Solistin gewann die Symphatie der Zuschauer; ihre wahrhaftige, emotional genau geprägte Darstellung der Hauptheldin hatte ihren Höhepunkt im dritten Teil, im Duett mit Wotan erreicht. Nomeda hat die Noten in allen Registern vollkommen präzise gesungen, sogar im triumphierenden Schlachtruf der Brünnhilde. Der keimende Erotismus veranlasst die Erwartung des zukünftigen Treffens mit Siegfried” (Brendan G.Caroll “Opera Now”, England, 2007, nach der Premiere “Der Walküre” im Litauischen Nationalen Opern- und Ballettheater).

“Die Walküre Brünnhilde ist meisterhaft von Nomeda Kazlaus interpretiert. Mit der Stärke ihrer Stimme macht sie die Protagonistin noch eindruckvoller und zugleich stellt sie feinfühlig die Liebe der Frau und Tochter dar“ (Stefania Bevilacqua, www. ateatro.it, Italien, 2007, nach der Premiere “Der Walküre” im Litauischen Nationalen Opern- und Ballettheater).

Man sagt, daß eine gute Stimme und ein guter Sänger zwei Begriffe sind, die nicht immer übereinstimmen. Nomeda Kazlaus hat nicht nur eine gute Stimme. Ihren ständigen Wunsch noch vollkommener zu singen, weist ihr inhaltsreiches künstle risches Leben und neue Herausforderungen nach, die sie wahrnimmmt. Die Solistin, die im Jahre 2007 die Preisträgerin “Der Jungen Schaffenden” des Litauischen Kultusministeriums wurde, hat schon als Hauptdarstellerin gesungen im Gran Teatre del Liceu (Spanien), Sankt Peterburger Marientheater, Moskauer Großes Theater (Russland), Ravenna Alighieri und Venedig Malibran (Italien), Budapest, Kazan, Kosice, Riga, im Litauischen Nationalen Opern­ und Ballettheater und anderen Opernhäusern; St. Johns Smith Square (London), im Großen Saal von “Gostinnyj Dvor” in Kreml von Moskau, im Großen Saal der P.Tchaikovski Konservatorium (Moskau), “Cankarjev Dom” (Ljubljana, Slovenien) u.a.; auf Festspielen “XV Castell de Peralada” (Spanien), “ Moskauer Frühling” (Russland), “Usedom” (Deutschland), Wroclaw “Pergola” (Polen), “Pažaislis”, “Trakai”, “Operette in Kaunas Burg”, “Atžalynas” (Litauen) u.a.

Nomeda Kazlaus hat mit den Dirigenten Lord Yehudi Menuhin, Valery Gergiev, José Collado, Anton Guadagno, Jacek Kaspszyk, Tugan Sokhiev, Miquel Ortega, Alexander Sladkovski, Mikhail Sinkevich, Ewa Michnik, Roberto Paternostro, Juozas Domarkas, Jonas Aleksa, Saulius Sondeckis, Robertas Šervenikas, Modestas Pitrėnas, Martynas Staškus und vielen anderen zusammengearbeitet.

Die Solistin nahm an den Aufführungen von Regisseuren Pierre Jourdan, Eimuntas Nekrošius, Michal Znaniecki, Jurij Aleksandrov, Rimantas Vaitkevičius u.a. teil. Sie hat gesungen mit Montserrat Caballe, Simon Estes, Montserrat Marti, Carlos Alvarez, Vasilij Gerello, Ian Storey, Vittorio Vitelli, Stefano Palatchi, John Keyes u.a.

Zu den zahlreichen und vielfältigen Repertoirewerken - von J.S. Bach’s Oratorien, F. Schubert’s Messen (die Messe Nr. 4 C-dur ist auf CD aufgenommen unter Leitung von Lord Yehudi Menuhin) bis zu den Edith Piaf Liedern und Zarzuelas – zählen auch die Musikwerke der litauischen Komponisten. Sie fndet auch Zeit für die Vorbereitung der extravaganten Musikwerke moderner Komponisten.

“Meine Seele freut sich heute” – das ist nicht nur der Text eines litauischen Liedes von J. Tallat­Kelpša, das Nomeda oft singt. Das ist noch ein heller Aspekt in dem Porträt von Nomeda Kazlaus, der in dieser vielseitigen ersten Solo CD dargestellt ist.

Der Dirigent Modestas Pitrėnas freut sich über die Zusammenarbeit mit Nomeda, deren kreativität, motivierte und positive Energie die Arbeit an komplizierten, dramatischen Werken leicht gemacht hat. “Ich wünsche mir, daß die CD die Auswirkung hat, die ich erwarte” – meint die Sängerin, indem sie hofft einen Bruchteil vom Kunstwunder und von sich selbst überbracht, und den Spruch von Konstantin Stanislavski ins Leben gerufen zu haben: “Ein echter Sänger muß nicht nur singen, er muß immer mehr leisten”. Nach dem Umgang mit solchen Künstlern soll einer innehalten, um etwas, was ihm naheliegt wahrzunehmen...

Laimutė Ligeikaitė ist eine Musikwissenschaftlerin, Kritikerin, Mitglied der Musikologiesektion im Komponistenverband Litauen, Lehrerin an der Musik- und Theaterakademie Litauen, Autorin von vielen in litauischen Zeitschriften und Zeitungen veröffentlichten Artikeln zum Thema der klassischen und modernen Musik, Moderatorin in Konzerten, Koautor von verschiedenen Edukationsprojekten der Musik.

Űbersetzung von Rita Bacevičienė